Unser neues Leben im Reich Gottes

Zu denen, die nicht glaubten, sprach Jesus einmal: „ Wenn ich durch den Finger Gottes die Teufel austreibe, so ist das Reich Gottes zu euch gekommen!“ (Lk. 11,20).
Jesus rüttelt seine Zuhörer auf. Jetzt ist Gnadenzeit, jetzt wirkt Gott das Heil für die Menschen, jetzt wird das Böse aus der Welt und aus den Seelen hinausgestoßen! Jetzt ist Gott selbst hier auf Erden erschienen, jetzt ist das Reich der Versklavung an Satan und seine Werke am Ende, jetzt ist es Zeit, der Gnade Gottes in der eigenen Seele wieder Raum zu geben und mit Gottes Gnade am Kommen Seines Reiches durch Umkehr und gute Werke mitzuwirken!
Wir sollen Augen und Ohren, besonders aber unsere Herzen diesem Gnadenwirken Gottes öffnen! Wie kann jemand noch sagen, es sei zweifelhaft, ob Jesus Christus wirklich von Gott gesandt ist, wenn Er doch vor aller Augen die Werke und das Reich des Teufels überwindet?
Wir wissen, viele sind Ihm dennoch nicht gefolgt, viele haben Ihn dennoch angeklagt und verleumdet, ja Ihn, der doch nur Gutes und Heiliges tat und sprach, beschuldigt, Er wirke Seine Werke nur durch den Teufel! (vgl. Lk. 11,15).
Jesus weist darauf hin, dass die Zurückweisung des Guten und das bewusste Verharren im Bösen eine Sünde gegen den Heiligen Geist sein kann, die nicht mehr vergeben werden kann, wenn der Mensch die Gnade Gottes trotz aller Klarheit und Güte, die Ihm Gott schenkt, überhaupt nicht mehr annehmen will und sie in radikaler Bosheit zurückweist. Wo sich der Mensch in diesem Willen zur Bosheit verhärtet, widersetzt er sich jedem Gnadenangebot. Eine solche Sünde kann nicht vergeben werden, weil der Mensch die Vergebung und Umkehr gar nicht will und sich damit vom Reiche Gottes im eigenen Wollen ausschließt! Jesus weist auf diese Gefahr mit eindringlichen Worten hin! (Mt. 12, 31ff.).
Gerade wegen dieser Gefahr ruft Er uns so eindringlich, uns nicht dem Licht der Liebe Gottes zu verschließen und unsere Seele in der bewussten und beharrlichen Abweisung des Guten nicht zu verhärten! Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe (vgl. Ez. 18,23)!
Und so ist auch Jesus nicht gekommen, „Seelen zu verderben, sondern zu retten“ (Lk. 9,55). Dieses Anliegen durchzieht Sein ganzes Reden und Tun. Überall ruft Er zu Bekehrung und Umkehr: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an die Frohbotschaft“ (Mk. 1,15)! Dieser Ruf gilt nicht nur den Menschen von damals, sondern auch uns heute!
Wissen wir die große Gnade der Erlösung und der Berufung für Gottes Reich aber in unserem Alltag wirklich noch genügend zu schätzen? Denken wir überhaupt noch daran, was es Jesus gekostet hat, uns von der Macht der Sünde und des Teufels zu erlösen? Ist es uns noch bewusst, in welch erbärmlichem Zustand wir ohne die Gnade Gottes und die Erlösung durch Jesus Christus einst gewesen sind und auch jetzt noch wären?
Was wäre alle Schönheit der Welt ohne den Sieg über das Böse in ihr? Ohne Ausblick der Seele auf das übernatürliche Reich des Himmels, das der Welt mehr Licht schenkt als die Sonne?
So schön und anziehend die geschaffene Welt auch erscheint, sie befindet sich in einem merkwürdigen Zwiespalt. Not, Leid, Krankheit, Tod und alles Böse lassen sich aus ihr nicht durch menschliche Bemühung verbannen. Das merken besonders jene, die aus ihr ein Paradies machen wollen, was die Schöpfung ja eigentlich nach dem Willen Gottes auch sein sollte!
Jeder trägt dieses Bild von einem Paradies noch in sich, aber jeder erfährt immer wieder, dass es Vollkommenheit hier auf Erden nicht wirklich gibt. Die Freude, die unser Herz erfüllt, ist wie ein Strahl aus einem fernen Paradies, aber leider nicht mehr als ein Abglanz davon, was wir in unserem Herzen ersehnen, denn alles Glück hier auf Erden kann die unendliche Sehnsucht nicht wirklich stillen, alles Schöne ist hier auf Erden nicht ganz - und zugleich der Vergänglichkeit, der Zerrissenheit und der Gefahr ausgesetzt!
Über der Güte, die wir in der geschaffenen Wirklichkeit erkennen können, liegt immer auch ein Schatten des Bösen, Widerwertigen, Unvollkommenen. Dieser Schatten durchzieht auch alle menschliche Kultur und spiegelt sich in ihr.
Auch alle natürliche Religion ist durch diese Verderbnis des Menschen geprägt und kann sich dem nicht selbst entziehen. Man spricht nicht umsonst von „Heidenangst“, weil ohne wahre Offenbarung Gottes der Mensch der furchtbaren Willkür von Dämonen ausgeliefert ist. Wie soll der Mensch dieser Not entrinnen, wie kann er sich von ihr lösen und befreien?
Erlösen kann sich der Mensch nicht selber, auch wenn er es seit jeher auf vielfältige Weise versucht. Nur Gott kann Verfinsterung, in der sich der Mensch seit der ersten Sünde befindet, besiegen und den Menschen wieder heil machen, so, wie er eigentlich bei der Schöpfung von Gott gewollt und geschaffen worden ist.
Israel wartete schon lange auf den Erlöser, den Gesalbten, das bedeutet: „Messias“ oder „Christus“, also einen König, der kommen sollte, um die Menschen wieder mit Gott zu versöhnen und so ein neues, vollkommenes Gottesreich zu begründen. Viele Stellen des Alten Testaments weisen – zwar oft noch undeutlich – darauf hin, beginnend schon mit der Verheißung Gottes im Paradies nach dem Sündenfall, dass ein Nachkomme der Frau der Schlange schließlich den Kopf zertreten würde (Gen. 3,15; die lateinische Bibelübersetzung Vulgata und viele Texte der Kirche beziehen diese Aussage auf Maria, was sprachlich ebenfalls möglich ist: "Sie wird dir den Kopf zertreten". Hier wird die besondere Rolle Mariens betont, die - in der Kraft und im Auftrag ihres Sohnes und unseres Erlösers Jesus Christus - der Schlange den Kopf zertreten hat).
Gleich nach dem Triumph des Teufels und nach der Sünde und Strafe des Menschen wird hier schon eine Frohbotschaft des Sieges über die scheinbare Macht des Reiches Satans von Gott für die Zukunft verkündet! Man spricht deshalb auch vom „Protoevangelium“, das schon den ersten Menschen in ihrer Sündennot verheißen wurde und das schon in den ersten Zeilen der Heiligen Schrift auf Christus, aber auch auf die besondere Erwählung Seiner Mutter, hinweist.
Viele in Israel erwarteten ein Gottesreich, das durch seine politische Bedeutung eine Art Erlösung bringen sollte. Doch schon der Anfang des Alten Testaments zeigt klar, dass die Not des Menschen nicht durch politische Größe, sondern nur durch den Sieg über die Sünde behoben werden kann, weil nur er die wahre Gemeinschaft mit Gott wieder schenkt, ohne den es keine wahre Freude auf Erden mehr geben kann.
Kein Wunder, dass Johannes, der sich ja als Vorbote des Erlösers verstand, auf diese Hoffnung Israels deutlich hinweist: „Der nach mir kommt, ist mächtiger als ich. Ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und Feuer taufen!“ (vgl. Mt. 3,11). Und er erbittet vielleicht nicht für sich, so jedoch für seine Jünger eine Antwort von Jesus selbst, ob Er derjenige sei, „der da kommen soll“ (Mt. 11,3). Jesus antwortet mit Hinweis auf die vielen Taten des Heiles, die ihn als den von Gott Gesandten offenbaren: „Geht und verkündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören wieder, Tote stehen auf, Armen wird die Frohbotschaft verkündigt“ (Joh.11,4).
Mit Jesus kam das Heil und die Frohbotschaft vom Reich Gottes, das mit und in Ihm angebrochen ist! Und Jesus bekennt sich vor Pilatus ausdrücklich als König dieses neuen Reiches, das aber nicht von dieser Welt ist: „Ja, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich von der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh. 18,37).
In Jesu Reich geht es nicht um irdische Macht, sondern um die Wahrheit im Denken, Reden und Tun! Das ist auch der Kampf, in den jeder einzelne in Gottes Reich berufen wird. Er erlöst uns nicht nur von irdischen Nöten, sondern von der Versklavung an Satan, von der Sünde, ihren Folgen und ihren Wunden, indem Er Sein Leben für uns dahingibt. Durch Sein Kreuz und Seine Auferstehung zeigt uns Jesus, dass die eigentliche Erlösung des Menschen nicht in der Befreiung vom irdischen Leid besteht, sondern in der Überwindung des Bösen, welches das Leid erst in die Welt gebracht hat. Und indem Er sich diesem Leiden freiwillig unterwirft, das eigentlich die Strafe für unsere Sünden ist, besiegt Er das Reich und die Macht Satans und öffnet uns den neuen Weg Seiner Liebe, die ja das Kennzeichen Seines Reiches ist und sein soll: „Daran sollen alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr untereinander Liebe habt“ (Joh.13,35).
Das Kreuz - auch das findet sich schon in den Prophezeiungen des Alten Testaments, was aber erst seit Christus wirklich verständlich wurde! - ist so das Tor in das Reich Gottes geworden, der Weg zur Erlösung. Deshalb sollen auch wir es gern und mutig mit Jesu Hilfe tragen, um in der Vereinigung mit Seinem Leiden auch die Vereinigung in Seiner ewigen Freude zu erlangen! Die leibliche Auferstehung Jesu aber ist das Unterpfand Gottes an uns, dass auch wir zur Auferstehung in Seinem Reiche berufen sind!
Jesus hat schon zu Lebzeiten Tote erweckt. Die Apostel hätten für diese Botschaft wohl keine Gläubigen finden können, wenn sie nicht durch die Wahrheit des Lebens dieser ehemals Toten eindringlich bezeugt gewesen wäre!
Sein leeres Grab ist die Vollendung dessen, was Er gewirkt, es ist das Zeichen Gottes an uns, dass nicht die Bosheit und der Tod mehr unumschränkt hier auf Erden herrschen, sondern dass ein neues Reich angebrochen ist, das in Christus der Welt den Sieg über alles Böse und über den Tod bringen soll!
Warum war wohl Maria nicht unter den Frauen, die am ersten Tag der Woche hinausgingen, um sich um den Leichnam Jesu zu kümmern und ihn zu salben? Sie hat sich doch mehr als alle anderen der Gnade Gottes geöffnet? Gott hat sie doch erwählt, um das vollkommene Gefäß der Liebe Gottes und des Heiligen Geistes zu sein?
Es scheint, dass sie gerade deswegen nicht mehr hinauszugehen brauchte. Als einzige hat sie offenbar die Worte Jesu und Sein Reich in ihrem Herzen wirklich bewahrt, war sie trotz allem äußeren Leid mit Ihm unerschütterlich vereint und hat geglaubt, was Er ja wiederholt ausgesprochen hat, als Er von Seinem Leiden sprach: Hat Er da nicht deutlich gesagt, dass Er am dritten Tage auferstehen werde (vgl. Mt. 16,21; 17,23; 20,19; Mk. 8,31; Lk. 9,22)?
Weil Maria sich dem Heiligen Geist geöffnet hatte, hat sie das Reich Gottes und die Gemeinschaft mit Gott trotz allem Leid wirklich in ihrem Herzen getragen. Das Reich Gottes ist ja in uns, nicht etwas Fremdes außerhalb (vgl. Lk.17,21)! Die Jünger, welche die Worte vom Leiden Jesu nicht hören wollten, haben deswegen auch die Botschaft Seiner Auferstehung nicht wirklich in ihr Herz eindringen lassen. Sie sind bis auf Johannes alle geflohen, Maria aber hat unter dem Kreuz ausgeharrt, hat Jesu Leid mitgetragen, hat damit die Gemeinschaft in Seinem Reich auch in der schwersten Stunde sichtbar gemacht und hat so auch die Hoffnung und den Glauben an Seinen Sieg der Auferstehung nicht verloren!
Vielleicht ist deshalb in der Heiligen Schrift nicht ausdrücklich von einem Erscheinen Jesu nach Seiner Auferstehung vor Seiner Mutter zu lesen. Maria hat geglaubt - und wenn Jesus ihr dann erschien, brauchte sie nicht der Bestürzung oder dem Lärmen zu verfallen, wie die übrigen Frauen und Jünger, denen der Sieg des Reiches Gottes erst wieder langsam erschlossen werden musste!
Leben wir in diesem Sinn wie Maria im Glauben und in der Freude über den Sieg Jesu, der in Seiner Auferstehung offenbar wurde. Lassen wir so das Reich Gottes und die Liebe Christi in uns und um uns sichtbar erscheinen! Öffnen wir unser Herz den Wundern, die Christus in uns und durch uns wirken möchte!
Durch Jesus Christus ist das Reich Gottes erschienen - und dennoch sollen wir im Vater Unser immer beten: "Zu uns komme Dein Reich! Dies deshalb, weil die Gnade des Anteils an Seinem Reich, die Er uns in Seiner heiligen Kirche durch Seine Sakramente schenkt, erst fruchtbar werden muss in uns. Durch unser Mitwirken mit und in Christus sollen auch viele andere den Weg zu Christus und zur Auferstehung in Seinem Reich finden!
Noch wandeln wir im Glauben, nicht im Schauen (2Kor.5,7). Doch bitten wir Maria in diesem Sinn um ihre Hilfe, dass sie uns von Jesus Christus die Gnade erflehe, dass Sein Reich auch in der Bedrängnis unserer Zeit durch uns im Heiligen Geist schon für viele sichtbar werde und erstrahle, indem wir in Glaube, Hoffnung und Liebe mit Ihm verbunden bleiben, bis Er wiederkommen wird, uns zu rufen, für immer bei Ihm zu sein, in der unendlichen Liebe des Heiligen Geistes, zur Auferstehung im ewigen und endgültigen Reich Seines Vaters!

Thomas Ehrenberger

 

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